Rund 160 Lehrerinnen und Lehrer aus der Region Stuttgart waren interessierte Zuhörer der vom LOS-Verbund im Raum Stuttgart organisierten Veranstaltung.
Egal ob Pisa-Studie oder Bildungsbericht, der bekannte Psychologe und Erforscher stellte der deutschen Bildungspolitik kein allzu gutes Zeugnis aus. Immerhin sei Deutschland inzwischen auf demselben Niveau wie Kenia, was die Leseleistung angehe. Das dürfe wohl im „Land der Dichter und Denker“ kaum beruhigen.
Die Frage „Was hilft in der Lese- und Rechtschreibförderung?“ spalte nicht nur Pädagogen, sie betreffe, so Grünke, immer mehr Eltern und deren Kinder. Denn, so Grünke, „nicht alle Fördermethoden, die in der Praxis zur Anwendung kommen, helfen Kindern wirklich bei der Überwindung ihrer Lese- und Rechtschreibprobleme“. Wissenschaftliche Erkenntnisse über wirksame Lese- und Rechtschreibförderung würden seiner Meinung nach nur unzureichend in die Praxis transportiert. Auf Basis vorliegender Untersuchungen und Meta-Analysen ließen sich aber relativ fundierte Aussagen über die Wirksamkeit verschiedener Methoden machen. Gemäß bislang vorliegenden Meta-Analysen eigneten sich „Strategieinstruktion, direkte Instruktion, tutorielles Lernen und computergestützte Instruktion insgesamt am besten zur Lese-und Rechtschreibförderung von Kindern und Jugendlichen mit gravierenden Schulschwierigkeiten“.
Über 20 Prozent der Kinder benötigen laut Grünke keine besondere schulische Unterweisung. 60 Prozent der Kinder lernen mit „normalem“ Unterricht, 20 Prozent benötigen spezielle Fördermethoden. Doch seien viele dieser Methoden eher schädlich: Die Zahl der Fördermethoden für mangelhafte Lernresultate werde immer größer, kritisierte Grünke. Dabei wolle er aber keinesfalls missverstanden werden: „Nichts spricht in besonderen Fällen beispielsweise gegen eine Kunst- und Musiktherapie oder Ergotherapie“, betonte Grünke. Nur helfen diese Methoden nicht dabei, Lesen und Schreiben zu lernen“.
Die Wirksamkeit dieser Methoden seien nachallgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnissen umfassend untersucht worden. Grünke: „Schlägt sich dieses Wissen um die Wirksamkeit dieser Methoden in der Praxis nieder?- Leider nein“! Vor allem sonderpädagogische Lehrkräfte wendeten hierzulande meist solche Methoden an, die gemäß der einschlägigen Forschung eine geringe oder keine Wirksamkeit versprächen. Effektive Methoden würden hingegen ignoriert. Studierende der Sonderpädagogik seien kurz vor ihrem Examen zwar gut über effektive Fördermaßnahmen informiert, würden jedoch in ihrer späteren Berufspraxis eher auf unwirksame Methoden zurückgreifen wollen. Er betonte: „Die meisten angewandten Methoden entbehren jeglicher empirischer Fundierung.“
Es stimme beispielsweise nicht, so Grünke, dass ein Kind allein durch mehr Selbstvertrauen besser lesen könne. Es stimme auch nicht, „dass, wenn ein Kind übt, seine Kreativität gehemmt wird“. In anderen Bereichen, zum Beispiel beim Geige-Lernen, würden wir das auch nicht annehmen. Aber beim Lesen und Schreiben würde so etwas oft für möglich gehalten.
In der Schule seien die Kinder gezwungen, den Unterrichtsstoff in der vorgegebenen Zeit durchzuziehen. Lehrer und Schüler müssten einen gewissen Zeitplan einhalten. Infolgedessen sei es nicht möglich, allen Kindern gerecht zu werden. „Nur leider gibt es auch Kinder, die mit dem Tempo nicht mithalten können und so nicht die Chance haben, alles richtig zu begreifen“. Solche Kinder sollten dringend speziell gefördert werden. Dabei gelte das Motto „Lesen lernt man durch Lesen und Schreiben lernt durch Schreiben“.