Moderator Henning Kullak-Ublick vom Vorstand des Bundes der Freien
Waldorfschulen (BdFWS) verwies in seiner Einleitung am Beispiel Stuttgart auf
den ständig steigenden Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund, der bei
den Neugeborenen rund zwei Drittel betrage. Das Thema Interkulturalität
gewinne so ständig an Bedeutung. Klassenlehrer Zan Redzic von der Interkulturellen
Waldorfschule Mannheim berichtete aus dem Schulalltag des Waldorfschulen-
Pilotprojekts in einem sozialen Brennpunkt, bei dem beispielsweise auch
das muslimische Zuckerfest am Ende des Fastenmonats Ramadan gemeinsam
gefeiert werde. Der zurzeit in Spanisch, Türkisch, Russisch, Kroatisch und
Polnisch stattfindende sogenannte „begegnungssprachliche Unterricht“ fördere
das gegenseitige Verständnis der Schüler. Viel hinge aber auch von der Haltung
der Lehrer ab: „Sie müssen offen sein und zuhören, was von den Schülern
kommt“, so Redzic. Ein Rezept im Umgang mit den benachteiligten Kindern und
Jugendlichen gebe es nicht. Er forderte, die Lehrer in ihrer Ausbildung besser auf
diese Aufgabe vorzubereiten.
Das „Geheimnis des Erfolgs“ der Interkulturellen Waldorfschule Mannheim liege
in dem wichtigen waldorfpädagogischen Grundsatz, dass Heterogenität nichts
Schwieriges, sondern etwas prinzipiell Bereicherndes sei, schlussfolgerte Prof.
Brater, der die Interkulturelle Waldorfschule einige Jahre lang wissenschaftlich
begleitet hat. Besonders spektakulär war dabei das Ergebnis der sprachfördernden
Wirkung des Unterrichts. Im zweiten Schuljahr seien in der Sprachkompetenz
keine Unterschiede mehr zwischen Kindern mit deutscher oder anderer Muttersprache festzustellen gewesen. Dies liege auch an der gewollten Zusammensetzung der Klassen mit höchstens 50 Prozent Kinder mit Migrationshintergrund.
Christian Füller sieht in der Mannheimer Schule einen „Testlauf, ob Waldorf auch
anders kann“. Nach der Gründung durch den Fabrikanten Emil Molt vor mehr als 90 Jahren sei die Waldorfschule zugleich Bürger- und Arbeiterschule gewesen,
die „Wurzeln sind also beide da“, betonte Füller. Er forderte die Waldorfschulen
auf, sich mehr mit modernen Unterrichtsmethoden auseinanderzusetzen. Auch
Prof. Brater wünschte sich die Waldorfschulen „mehr in Bewegung“ und unterstrich
die innovativen Impulse, die von der Interkulturellen Waldorfschule
Mannheim ausgehen.
„Interkulturalität und Waldorfschule“ ist nur eines der Veranstaltungsthemen der gemeinsamen Sonderschaufläche des BdFWS, der Vereinigung der Waldorfkindergärten und dem heilpädagogischen Verband auf der didacta 2012 in Hannover. Weitere Veranstaltungen befassen sich mit der Wissenschaftlichkeit der Waldorfpädagogik, neuen Anforderungen an die Lehrerbildung, den Bedingungen für eine gesunde Schule und der Umsetzung der Inklusion in der Praxis. Am Elternsamstag können Interessierte sich im „Gläsernen Klassenzimmer“ über die Konzepte der Waldorfpädagogik informieren und an allen Tagen haben Besucher die Möglichkeit, Praxisbeispiele der Schüler aus dem Unterricht zu erleben. Weitere Informationen und Termine unter: www.waldorfpädagogik-aktuell.de.