Als Hochschulpolitiker soll und kann man sich ja
freuen, wenn eine Landesregierung einen neuen Studiengang mit
zusätzlichen Ressourcen versieht und dieses auch noch in einem
Bereich, der offensichtlich hohen Bedarf hat. Der Koalitionsantrag
bzw. der Antrag könnte mich auch noch weiter erfreuen, da er mir zu
einem Déjà-vu-Erlebnis verhilft. Es sind jetzt ungefähr dreizehn
Jahre her, dass die Landesregierung auf der Grundlage des Gutachtens
der so genannten Erichsen-Kommission beschlossen hatte, den nach
Eckernförde ausgelagerten Fachbereich Bauwesen der Fachhochschule
Kiel zu schließen und die Studienangebote an der Fachhochschule
Lübeck zu konzentrieren. Das war für die Fachhochschule Kiel und
besonders für die Lehrenden und Studierenden am Eckernförder
Fachbereich schmerzhaft und löste erhebliche und verständliche
Proteste aus. Ich habe damals als Vorsitzender der
Landesrektorenkonferenz Gelegenheit gehabt, das Vorgehen der
damaligen Landesregierungen zu kritisieren. Ich sage bewusst
„Landesregierungen“, weil die grundsätzlichen Entscheidungen von der
rot-grünen Regierung von Heide Simonis getroffen worden waren und
dann von der Großen Koalition unter Leitung von Peter Harry
Carstensen nicht mehr in Frage gestellt wurden. In der damaligen
Situation prallten die Grundsätze „Haushaltskonsolidierung“ vs.
„Hochschulentwicklung“ und „Fachkräftemangel“ regelmäßig aufeinander
– und die Haushaltskonsolidierung hat regelmäßig gewonnen. Die
Grundphilosophie des Erichsen-Gutachtens war, die erforderlichen
Studienplätze durch eine Konzentration an einem Standort möglichst
kostengünstig bereit zu stellen. Das kann man bildungsökonomisch so
argumentieren, aber auch kritisieren. Generell gilt: Entscheidungen
über die Schließung oder die Neugründung von Studiengängen setzen
fachlich mindestens zweierlei voraus: der mittelfristige Bedarf an
Absolventen muss ermittelt werden, und die in Deutschland und vor
allen Dingen im norddeutschen Raum existierenden Studienangebote in
dieser Fachrichtung müssen daraufhin untersucht werden, ob eine
Arbeitsteilung möglich und sinnvoll ist. In Hamburg sind an zwei
Universitäten entsprechende Studiengänge vorhanden, ein weiterer ist
im Aufbau, weitere gibt es in Bremen und im nördlichen Niedersachsen.
Nun frage ich mich allerdings, was der vorliegende Antrag der
Regierungskoalition eigentlich soll, denn nach meiner Kenntnis sind
die Professuren an der FH Kiel schon ausgeschrieben. Mit was wollen
Sie denn die Landesregierung beauftragen, wenn schon alles passiert.
Und warum sollen wir uns in diesem Hohen Hause damit überhaupt
beschäftigen? Das hat eher etwas mit SMV (für die Jüngeren
Schülermitverwaltung), denn mit ernsthafter Beteiligung des
Parlaments zu tun. Hinzu kommt, dass die Regierungskoalition nach
meiner Kenntnis und entgegen allen akademischen Gepflogenheiten sich
gar nicht bemüht hat, das Gespräch mit den Fachkollegen der FH Lübeck
zu suchen.
Nun lese ich mit Erstaunen in den Lübecker Nachrichten vom
15.11.2017, dass die Lübecker Fachhochschule die Federführung bei dem
neuen Studiengang haben soll. Das erstaunt nun wirklich und ich kann
mir nicht vorstellen, dass die FH Lübeck die Federführung für einen
Studiengang der FH Kiel bzw. dass das die FH Kiel so akzeptiert,
abgesehen davon, dass die Professuren ja schon ausgeschrieben sind,
somit die Planungen ja schon abgeschlossen sind. Umso mehr scheint es
mir richtig und zwingend, dass die Landesregierung dem Plenum und dem
für Hochschulen zuständigen Bildungsausschuss ausführlich darlegt,
wie weit ihre Planungen gediehen sind.
Ich möchte – ganz im Sinne des Alternativantrages des SSW – schon
wissen, wie viele Studienplätze geschaffen werden sollen, welche
finanziellen und personellen Ressourcen dafür erforderlich sind,
welche Auswirkungen die Gründung dieses Studienganges auf die
Fachhochschule Lübeck hätte und wie die Landesregierung den
mittelfristigen Bedarf an Bauingenieuren einschätzt.
Und ich möchte auch gerne wissen, was denn die Strategie der
Hochschulentwicklung der Regierungskoalition nicht nur bei den
Bauingenieuren und -ingenieurinnen ist – außer einer kurzfristigen
Bedarfssicherung, die im Übrigen erst mittelfristig zum Tragen kommt
und keine Basis für Hochschulentwicklung sein kann.
Auch muss die Frage gestellt werden, ob es mittelfristig
ausreicht, wenn in Kiel nur der BA, nicht aber der MA erworben werden
kann. Ein Wechsel nach dem BA an die Fachhochschule Lübeck liegt dann
ja nahe, aber dann stellt sich die Frage nach den Kapazitäten in
Lübeck oder aber die Studierenden wandern dann z.B. ganz nach Hamburg
ab. Oder denkt die Koalition daran, nach dem Aufwachsen der
Studienangebote für den BA auch in Kiel die zweite Studienphase
aufzustocken? Für mich ist der Antrag der Koalition mit mehr Fragen
als Antworten verbunden. Bevor wir Ihrem Antrag zustimmen können,
beantragen wir, diesen zur vertieften Beratung an den
Bildungsausschuss zu überweisen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Pressekontakt:
Pressesprecher: Heimo Zwischenberger (h.zwischenberger@spd.ltsh.de)
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