Es sind die Tage der Erkenntnis, wenn Studenten den Elfenbeinturm von Forschung und Lehre verlassen, um die Theorie auf ihre Praxistauglichkeit hin zu überprüfen. Wobei ein Lokaltermin nicht immer zwingend jedweden Zweifel an der Umsetzbarkeit akademischer Verheißungen auszuräumen vermag, was bisweilen auch mit der unternehmerischen Qualität des Gastgebers zusammenhängt. Im Fall jener 13 Studierenden der Hochschule Ulm und ihres Dozenten Helmut Bayer, die sich auf die Spur des real existierenden Lean Managements geheftet hatten, nahm die Exkursion einen positiven Verlauf. Denn die akademische Reisegruppe hatte sich auf den Weg nach Waldachtal begeben, wo mit der Unternehmensgruppe Fischer eine der deutschen Vorzeigefirmen beheimatet ist. Die fertigt längst nicht mehr nur Dübel und Technik-Bausätze für künftige Ingenieure. Mittlerweile hat sich Fischer auch in den Bereichen Automotive und Prozessberatung weltweit einen Namen gemacht. Was nicht zuletzt mit dem Firmencredo zusammenhängt: „Das Prinzip des schlanken Unternehmens vermeidet Verschwendung und steigert die Wertschöpfung“, heißt es im Fischer-Leitbild. Damit bekennt sich das Unternehmen zu dem Ziel, nicht nur bei den Produkten, sondern auch in allen Prozessen „Klassenbester“ zu werden – um so einen zusätzlichen Nutzen für seine Kunden zu erzeugen. Nach den Ideen des japanischen Kaizen wurde daher seit 2001 eine Strategie entwickelt, wie Prozesse optimiert werden können. Daraus ist das „Fischer Prozess-System“ entstanden, das alle Geschäftsprozesse als Gesamtheit begreift. Mit Karsten Joachim hat sich ein Fischer-Mitarbeiter dennoch kurzfristig aus der Wertschöpfungskette ausgeklinkt, zumal er sich des Ulmer Besuchs annahm, ihn in den Kreislauf des „Plan Do Check Acts“ einführte und Einblicke in die Führungskultur, Mitarbeiterentwicklung samt Methoden und Werkzeuge gewährte. Dabei erfuhren die Studenten den ganzheitlichen Ansatz des Prozess-Systems, das sowohl für administrative,
als auch für produktive Bereiche und damit für alle Mitarbeiter gilt, denen ein hohes Maß an Innovation und Eigenverantwortlichkeit abverlangt wird. Deren Arbeitsplätze, ob in Vertrieb, Marketing, Werkzeugbau oder Produktion, sind samt und sonders standardisiert. Kennzahlen- und KVP-Boards sind in nahezu allen Bereichen und Abteilungen zu finden. Ampelsysteme zeigen den aktuellen Status des momentanen Leistungsniveaus und der Maßnahmen zur dessen Verbesserung. Zudem hat die Studienreisenden beeindruckt, dass die gesamte Produktions- und Ablaufsteuerung ohne IT-Einsatz funktioniert. Das dem Hol- und Zurufprinzip folgende System ermöglicht eine flexible, auf den aktuellen Bedarf ausgerichtete Produktion, was kapitalintensive Lagerbestände ebenso verringert, wie Durchlaufzeiten. Dabei fließen die Informationen rück- und das Material vorwärts, was übrigens auch für die administrativen Bereiche gilt. Das Ergebnis ist ein flexibler Produktionsablauf, der schnell auf geänderte Bedarfsmengen reagieren kann und eine größere Lieferbereitschaft aufweist. Hernach gaben die Ulmer Studenten zu Protokoll, eine „hohe Professionalität und Kundenorientierung“ erkannt und „eindrucksvolle Einsichten“ gewonnen zu haben. Und noch eine Erkenntnis am Rande: Reisen bildet manchmal doch…