„Zwischen Pragmatismus, Hilflosigkeit, Sorge und Ignoranz“ – Studie zu Persönlichkeitsrechten von Kindern im Kontext digitaler Mediennutzung in Familien

Die Nutzung digitaler Medien in Familien führt
oftmals zu einer gravierenden Gefährdung der Persönlichkeitsrechte
von Kindern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität zu
Köln in Kooperation mit dem Deutschen Kinderhilfswerk, die heute in
Berlin vorgestellt wird. Die qualitative Untersuchung des
Medienalltags in Familien offenbart, dass Eltern zwar bemüht sind,
ihren Kindern einen möglichst sicheren Zugang zu digitalen
Medienangeboten zu ermöglichen. Gleichzeitig stehen Familien aber den
Risiken digitaler Mediennutzung heute aber oftmals hilflos gegenüber.
Diese Hilfslosigkeit trifft insbesondere bei der Nutzung sozialer
Netzwerkdienste wie WhatsApp, Facebook, Instagram, Snapchat und
YouTube zu. Zusätzlich finden in diesen Medienformaten die
Mitbestimmungsrechte der Kinder bei Veröffentlichung persönlicher
Daten durch die Eltern nur selten ausreichend Beachtung.

„Die Rechte von Kindern sind auch im digitalen Raum nicht
verhandelbar. Wichtig ist dabei, Familien nicht mit ihrer
Verantwortung bei der Medienerziehung alleine zu lassen. Eltern und
Kinder müssen bei der kompetenten und kindgerechten Nutzung von
Medien unterstützt werden. Zudem bedarf es verständlicher und
umsetzbarer gesetzlicher Vorgaben für die Erhebung, Verbreitung und
Verarbeitung digitaler Daten. Das Deutsche Kinderhilfswerk plädiert
aus diesem Grund für einen modernen, ganzheitlichen und ausdrücklich
an der UN-Kinderrechtskonvention ausgerichteten Jugendmedienschutz,
der gleichermaßen Schutz, Teilhabe und Kompetenzförderung von Kindern
in den Medien absichert“, betont Thomas Krüger, Präsident des
Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Die in unserer Studie dargestellten Befunde geben wichtige
Hinweise auf grundlegende Konflikte im Feld der Mediennutzung und
-erziehung in Familien. Einerseits wollen Eltern ihre Kinder auch im
digitalen Alltag schützen, andererseits wollen sie den Kindern
zunehmend Freiräume und Autonomie ermöglichen. Dieser Spagat gelingt
nicht immer im besten Sinne der Kinder. Kindertageseinrichtungen,
Schulen oder Erziehungsberatungsstellen können hier eine
unterstützende Rolle übernehmen. Es zeigt sich aber auch, dass die
Verantwortung nicht nur auf individueller Ebene liegt und es
entsprechender schützender Rahmenbedingungen bedarf. Zudem wird
deutlich, dass Kinder an vielen Stellen viel stärker in
Entscheidungen einbezogen werden müssten, die sie und ihre Daten bzw.
Rechte am eigenen Bild betreffen“, so Prof. Dr. Nadia Kutscher,
Professorin für Erziehungshilfe und Soziale Arbeit an der Universität
zu Köln.

Zentrale Ergebnisse

Die Untersuchung widmete sich der Frage, wie digitale
Mediennutzung und sogenanntes Sharenting, also die Verbreitung von
Kinderbildern durch Eltern in sozialen Medien, in den Familienalltag
eingelagert sind und inwiefern die Beteiligungsrechte und
Persönlichkeitsrechte von Kindern dabei eine Rolle spielen. Die
Befunde der Studie zeigen, dass digitale Medien heute ein fester
Bestandteil der familiären Alltagspraktiken sind. In allen befragten
Familien sind soziale Netzwerke und mobile Medien
selbstverständlicher Teil der Kommunikation zwischen den
Familienmitgliedern. Alle befragten Eltern haben Smartphones und
darauf in der Regel die einschlägigen Apps (u.a. WhatsApp, Facebook,
YouTube, Instagram) installiert. Die Mehrheit der Eltern
unterscheidet dabei Facebook als „öffentlich“ und WhatsApp als
„privat“. Dies führt dazu, dass die Eltern stärker reflektieren, was
sie auf Facebook veröffentlichen und dagegen weitgehend bedenkenlos
Daten über WhatsApp teilen. Eltern wollen auch prinzipiell die Daten
ihrer Kinder schützen, fühlen sich aber zumeist nicht ausreichend
kompetent in der Nutzung verschiedener Dienste. Ein Zusammenspiel aus
unzureichender Informiertheit, Unsicherheit, Hilf- und
Machtlosigkeit, aber auch Nutzungsroutinen ist die Basis
unzureichender Datenschutzstrategien der Eltern.

Insgesamt zeigt sich, dass sich Eltern intensiv mit der Frage
beschäftigen, wie sie die Mediennutzung ihrer Kinder erzieherisch
begleiten können. Sie versuchen, nicht den Anschluss an mediale
Entwicklungen zu verlieren und fühlen sich dabei meist überfordert.
Die erzieherische Herausforderung, Kindern sowohl Freiräume als auch
Schutz bei der Mediennutzung zu bieten, führt oftmals dazu, dass die
Eltern zu Strategien wie zum Beispiel der Chat- oder Browserkontrolle
greifen, die die Privatsphäre der Kinder massiv verletzen. Kinder
selbst haben oftmals genaue Vorstellungen davon, ob, wann und mit wem
Bilder von ihnen geteilt werden sollten. Allerdings werden sie von
den Eltern in der Regel nicht an Entscheidungen beteiligt, wenn diese
Fotos von ihnen verbreiten. Die Rechte von Kindern spielen insofern
im Rahmen von Medienerziehung in der Familie oftmals kaum eine Rolle.

Methode

Die Studie „Kinder. Bilder. Rechte. – Persönlichkeitsrechte von
Kindern im Kontext der digitalen Mediennutzung in der Familie“ wurde
von der Universität zu Köln in Kooperation mit dem Deutschen
Kinderhilfswerk erstellt. Dabei wurde auf der Basis von 37 Interviews
mit Eltern und Kindern (6 bis 15 Jahre) empirisch rekonstruiert, wie
der Medienerziehungszusammenhang in den befragten Familien
ausgestaltet ist. Die Erhebungen fanden in insgesamt fünf Städten und
Gemeinden (darunter sowohl Großstädte als auch Gemeinden im
ländlichen Raum) in vier verschiedenen Bundesländern (Berlin,
Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) in Deutschland statt.

Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit mehr als 45
Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung
von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an
allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der
Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein
finanziert sich überwiegend aus privaten Spenden, dafür stehen seine
Spendendosen an ca. 40.000 Standorten in Deutschland. Das Deutsche
Kinderhilfswerk initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die
die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren
Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit
wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in
Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von
Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen
sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten
gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland.

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